Montag, 28. Mai 2018

Ponyhof und so

Back again - jetzt habe ich keine brüllenden Schmerzen mehr, sondern nur noch Schmerzen. Hach wie schön ist mir...

Meine Hausärztin hat mir ein Schmerzmittel verschrieben, die Creme de la Creme (Akzente bitte bei Bedarf selber setzen). Werde ich demnächst Bahnhof Zoo verticken :-) 1 Tablette und ich war abgeschossen, high, mein bester Freund. Bis zu 8 Stück am Tag hätte ich nehmen können! The walking dead oder auch Tina's Zombieshow.

Wobei, das mit dem walking ist so eine Sache, geht momentan leider fast gar nicht. Hand-Fuß-Syndrom, meine Waden tun jeden Tag so, als wäre ich nen Marathon gelaufen. Allen, denen ich ein Treffen Ende Mai in Aussicht gestellt habe, geht leider nicht, weil Gehen nicht geht. Meine sportliche Ansage, dass ich schön mit ÖPNV zur Bestrahlung fahre, löst sich auch gerade in Luft auf und ich suche hektisch nach Alternativen. Füße und Hände sind meistens taub, kribbeln, tun weh und schicken anscheinend auch keine Impulse mehr an mein Gehirn, dass ich jetzt bitte laufen möchte. Oder... ggf. hat sich  mein Gehirn auch in Luft aufgelöst :-) Was Genaues weiß man nicht. 

Anprangern muss ich heute, dass die Onkologische Praxis mich ausgespuckt hat und ich nun zusehen muss, wie ich klar komme. Letzte Chemo, auf Wiedersehen, schönes Leben noch. 

Um Abhilfe zu schaffen, habe ich diese Woche diverse Termine bei diversen Einrichtungen vereinbart, nur leider komme ich da gar nicht hin. Unter anderen habe ich einen Termin bei einer ganzheitlichen Krebsberatung - ohmmmmm - da man wohl doch dem einen oder anderen Organ Unterstützung zukommen lassen kann, in Form von Bittertees, Sauerkrautsaft etc., damit das mit der Entgiftung besser und schneller vonstatten geht. Bittertees trinke ich, Sauerkrautsaft steht in meiner Küche und wird von mir ignoriert. Manchmal denke ich auch, der Leidensdruck ist anscheinend noch nicht groß genug. Aufmachen, eingießen, trinken, schlucken - aber nö, Tina will nicht.

Freitag war die arme Irre dann im Planungs-CT... "dauert nicht lange, nur ganz kurz" - das waren die längsten 3 Minuten meines Lebens! Aber ich hab es geschafft, bin jetzt mit Permanentmarker für die Bestrahlung markiert und mit wasserfester Folie verklebt. Ich wurde mit den Worten entlassen "bitte keine Seife benutzen, keine Duschorgien und auch ganz wichtig, kein Deo!" Muhahaha in Berlin sind tropische Temperaturen und Frau G aus B darf jetzt über 7 Wochen nicht wirklich mit Duschgel duschen und auch kein Deo benutzen. Na, wer war nochmal scharf auf ein Treffen mit mir? Ich sehe die Leute im Bus schon von mir wegrücken und überlege ernsthaft, ob ich den ÖPNV nur noch mit nem Tetrapack Wein in der Hand betrete :-)

Anschlussheilbehandlung mit Kindern in Grömnitz ist bewilligt. Ich hoffe, wir kriegen das noch in den Sommerferien hin, wobei das sehr sportlich ist. Hab ja die letzten Wochen den Mund etwas voll genommen. Aber wenn alles gut geht, habe ich am 20.07. die letzte Bestrahlung und dann sind noch vier Wochen Sommerferien in Berlin. Ich gucke jetzt, wie sich das mit den Händen, Füßen und Gelenken entwickelt. 

Ich wünsche uns allen ein paar sonnige Tage ohne Unwetter!

Tina

Mittwoch, 23. Mai 2018

Tina im Glück - ironieoff

Klar. Heute Vorgespräch Bestrahlung - habe ich doch in der Tat drei Stellen gewonnen, die bestrahlt werden. Völlig neu für mich war die Tatsache, dass mit aller Wahrscheinlichkeit auch das rechte Schlüsselbein bestrahlt wird, da die Lymphknoten schon befallen waren. Dann natürlich die Brust und auch die Achselhöhle. Und die Haut über dem Schlüsselbein ist doch so dünn... 😱

Eigentlich sollte ich vier Wochen nach der Chemo erstmal pausieren, jetzt habe ich aber doch schon für Freitag den CT-Termin und am 4.6. geht die Bestrahlung los - immer im Blick die Anschlussheilbehandlung, die ich gern in den Sommerferien mit den Jungs gemeinsam machen würde. 

Die Chemo kriecht mir immer noch durch die Knochen, laufen fällt mir sehr schwer, die Gelenke tun weh, hab jetzt ca. 4 Tage am Stück geheult, trotz IBU. Meine Hausärztin hat mir ein Schmerzmittel gegen Nervenschmerzen verschrieben, vielleicht hilft mir das etwas besser. Die tauben, kribbelnden und schmerzenden Hände und Füße erwähne ich mal lieber nicht. 

Aber - um mal wieder etwas positiv zu werden: Mein Geschmack ist fast wieder vollständig hergestellt und auch die Nase blutet nicht mehr. Nächsten Dienstag bin ich bei einer Beratungsstelle und hole mir Infos, wie ich meinen Körper beim Entgiften unterstützen kann. Jetzt habe ich 7 Monate vegan-vegetarisch überlebt, da schrecken mich Bittertees und Sauerkrautsaft auch nicht mehr. Meine Leidenschaft für Wurst und Fleisch hält sich arg in Grenzen, da hat anscheinend echt ein Umdenken stattgefunden (wir sprechen uns in 6 Monaten...), die drei von mir avisierten Fresstage gab es noch nicht :-)

Und die Glücksmomente oder auch die Unverhofftkommtoftundhautmicheinfachnurum-Momente, wie ich sie nenne, reißen nicht ab. 



Heute kam Post von einem Klassenkameraden, den ich seit der 7. Klasse kenne, lange aber nicht mehr gesehen habe. Aufgrund eines Blogeintrages von mir kam ihm die Idee, mir zwei Karten für Depeche Mode in der Waldbühne zu schicken/schenken. Mich hat es aus den nicht vorhandenen Latschen gekippt, Tränen flossen - einfach nur Danke!

Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Mir sind mit dieser Scheiße Dinge passiert, von denen ich nicht geglaubt hätte, dass es sowas noch in der Form gibt. Menschlichkeit, Unterstützung, Zuspruch - einfach nur Hammer. 

Jetzt hoffe ich auf Tage, an denen die Schmerzen weniger sind als die schmerzvollen Stunden und halte euch natürlich informiert.

Tina - nicht mehr geschmacksneutral :-)

Dienstag, 15. Mai 2018

Keine Atempause...


Da sitze ich Montag hier, Handy, Telefon alles in meiner Reichweite und warte auf eure Glückwünsche zur letzten Chemo… tststs – habt ihr wohl vergessen?

Es ist vollbracht! Vorher Tränen, danach Tränen, von Erleichterung keine Spur. Hände und Füße waren gestern früh mal wieder einigermaßen im Lot, jetzt ging die Taubheit und das Kribbeln gleich nach der Chemoportion los.

Wir waren vier Patientinnen, eine hatte gestern auch ihre letzte Runde und war fit wie ein Turnschuh. Bis auf die tauben Hände und Füße fast keinerlei Nebenwirkungen. Neid!

Aber auf ihre Frage, wie schnell und wie am besten man jetzt entgiften könnte, erwiderte Schwester Anke nur lapidar: „Wir haben uns sehr viel Mühe gegeben, die ganze Scheiße in Sie reinzubekommen. Die bleibt da jetzt erstmal noch ne Weile und frisst sich durch Ihren Körper.“ Meine Idee mit dem Intervallfasten schien da schon nicht mehr so vielversprechend.

Heute komme ich mir vor wie auf Entzug, keine Ahnung, ob in der letzten Portion überhaupt noch Kortison drin war? Ich schwanke und wanke durch die Wohnung, bin kaum in der Lage, mich auf meinen Beinen zu halten, mein Gleichgewicht tillt. Und ich bin so unendlich müde. Wenn ich dann wegpenne, komme ich aus unergründlichen Tiefen (tagsüber) wieder an die Oberfläche und kann mich kaum wachkämpfen. Nichtsdestotrotz bin ich unermüdlich auf meine Mutter gestützt zu meiner Chinesin gewankt und habe mich wieder pieksen lassen. Unterwegs gingen mir dann noch die Schnürsenkel auf und meine arme Mutter musste sich bücken und sie mir wieder zubinden. Gegen mich läuft sicher schon ne Anzeige von besorgten Friedenauer Wutbürgern… 😊

Nun hoffe ich, dass ich schnell wieder auf die Beine komme. Am 23.05. habe ich das Vorgespräch für die Bestrahlung.

Versüßt hat mir den Tag ein Schreiben meiner Krankenkasse. Der von mir eingereichte Antrag auf Mutter-Kind-Kur (im November 2017 unterschrieben!!!!!) wäre jetzt eingegangen, die zuständigen Stellen würden diesen prüfen und ich bekäme dann Bescheid. Oh my Gosh!

Nun beobachte ich mich mal ein bisschen, gucke, dass da wieder etwas Gehirn nachwächst, die Sehkraft wiederkommt, die Gelenke sich beruhigen und gewöhne mich an den Gedanken, dass Etappe 2 hinter mir liegt. Auch die Aussicht auf einen Zahnarztbesuch kann mich nicht schrecken.

Ich werde euch sicherlich auch weiterhin an meinem bunten Treiben teilhaben lassen, sonst würde mir und sicher auch euch was fehlen 😊

Tina, die mit der Chemo und dem Abschied davon kämpft

Dienstag, 8. Mai 2018

And now, the end is near - And so I face the final curtain

Kommt mit auf meine Reise - eine hoffentlich fast letzte Jammerrunde ist hiermit eröffnet. Aua. Ihr werdet es vermissen :-)

Kann das kaum noch in Worte fassen. Gepaart mit Angst. Auch Verlustangst. 1 x noch. Dann? 23.05. steht der Termin für das Vorgespräch bei der Bestrahlung. Dann weiß ich, was mich erwartet. 

Hier, in meinem heute und jetzt, sind unendliche Schmerzen mit Panik an der Tagesordnung. Auch sehr schön. Das Wochenende habe ich mich bei meiner Schwester verkrochen, geschlafen, geweint, kaum auszuhalten. Ich glaube, ich weine auch, weil ein Ende in Sicht ist. Und dann? Alltag? Was für ein Alltag? Und trotzdem so weit weg. Bestrahlung. Anschlussheilbehandlung. Und dann der Weg zurück. Wohin? 

Kann leider kaum noch laufen und google schon Rollator - hoffe aber immer noch, dass das Gefühl in den Beinen schnell wieder kommt. Die Muskeln auch - ich schwöre - ich mache Sport *fingerkreuz*, dann geht das ganz schnell wieder. 

Die App für das Intervallfasten ist runtergeladen. Gift raus aus meinem Körper. So schnell wie möglich. 2 schmerzfreie Tage am Stück - möglichst noch im Mai - das wäre wunderbar. 

Man wird ja so bescheiden *hüstel* 

Ich ziehe jetzt schon ein kleines Resumé, Leute, die an meiner Seite sind und waren (bin ne sentimentale Kuh - ist dem Schmerz geschuldet), was ich erfahren durfte, wie ich Leute neu kennenlernen durfte, was Menschen für mich getan haben, unfassbar, reflektiert ist es einfach unglaublich. Meine Mama ist für mich in die Knie gegangen, auf dem Weg hier zu mir, war jedes Mal mit bei der Akupunktur, weil ich das auch nicht alleine hinbekomme :-P Sorgen um meine Mama, aber auch sie steht auf, richtet ihr Krönchen, läuft weiter, ich säubere ihre Wunden... Alles sehr symbolhaftig. Sollten Eltern das miterleben? Ihre Kinder so sehen?

Meine Schwester. Ich hab das heute zum ersten Mal so in Worte gefasst, die für mich stimmig sind. Meine Schwester ist ein großartiger Mensch. Punkt. Oldschool vielleicht. Aber stimmig. Das zu erfahren, das zu sehen, wie sie Sachen macht, die ich nicht mal aussprechen möchte ;-) Pflegt, begleitet, aufbaut, heilt, lindert, hinfässt, hinguckt. Ich ziehe meinen Hut! Schnappatmung, obwohl wir uns schon 47 Jahre kennen. 

Menschen, die ich erst kurz kenne. Unfassbar!

Ich bastel schon an meiner Dankesrede, will euch alle namentlich genannt wissen, plant also 3 - 7 Stunden ein :-)

Eine Freundin hat mir heute einen Fensterputzer auf den Hals geschickt! Heike, das war eine großartige Idee. Knutsch Dich. Ich sehe die Sonne und das Licht auch wieder durch meine Fenster. 

Menschen, die ich verflucht habe, weil ich nichts mehr hörte. Aber im richtigen Moment - peng - ein Anruf, eine Whatsapp, sie haben mir geholfen, mich wieder aufzurichten. 

Meine Kinder - liebe euch, trotz des ganzen Stresses, den wir hatten und haben. Schön, dass ihr so starke Menschen seid, alles richtig gemacht. Manchmal dachte ich, es fehlt die Empathie, dann dachte ich, ihr müsst euch auch selber schützen. Ich bin die Erwachsene. Einfach Danke. 

Als ich den Satz schrieb "auf die Erfahrung hätte ich auch verzichten können - ich bin bei mir" war das vielleicht nicht so richtig. Hab doch einiges erfahren die letzen Monate. Gelernt. Vielleicht hat es mich verändert. 

Verneigung vor Frank Sinatra - I did und I do it immer noch my way - aber ihr seid noch da. 

Britta, Claudi, Corinne, Beate, Steffi, Steffen ... und so weiter.

Ich hab heute zu Mama gesagt, ich weiß gar nicht, wie ich die letzten Meter noch gehen soll, so verzweifelt war ich in den ganzen letzten Monaten nicht. Aber ich werde sie gehen. Irgendwie. 

Und an all die Neider: Keine Bikinifigur :-) Der Kortisonheißhunger ist der Hammer! Und das x vegan  - wer das toppen kann, stelle sich hinten an.

Fettes Danke an euch, für die letzten anstrengenden Monate mit mir! Licht! Tunnel und so. 

Tina, fernsehlos glücklich

Donnerstag, 3. Mai 2018

Talfahrt

Da denkste, Du bist schon ganz unten, reibst Dir die entzündeten Augen und siehe da ... noch eine Stufe, die hinabführt. Klar, nehme ich, was soll es. 

Der Schmerz bestimmt mein Leben, meine Hände und Füße kribbeln, krabbeln, tun weh. laufen ist kaum noch möglich - und ihr lieben Menschen wollt mir Mut machen mit "nur noch 2 x" und ich möchte schreien - NOCH 2 X!!!!! Wie kann ich das noch 2 x aushalten? In dem Wissen, es wird wahrscheinlich noch ne Schippe draufgepackt. Noch mehr Schmerz? Geht denn das? Ich werde berichten.

In all dem Wahnsinn klingelt am Montag mein Telefon. Meine Krankenkasse. Wir wollten mal hören, wie es Ihnen geht und wann Sie wieder arbeiten gehen können. Glockenhelles Gelächter meinerseits und die Antwort, dass ich wohl erst einmal noch die Chemo zu Ende machen würde und mir dann überlege, ob Bestrahlung nicht auch noch sinnvoll wäre. Und ich hörte auch von einer Anschlussheilbehandlung. Stille am anderen Ende. Ah ja, können wir sonst noch was für Sie tun? Ein Double täte der Situation jetzt gut und käme mir sehr gelegen. 

Gestern haben wir dann einen Bekannten/Freund zu Grabe getragen. Er erhielt die Diagnose Darmkrebs ungefähr zeitgleich mit mir. Beschissene Krankheit. Farewell Frank!

Und da ich lange nichts mehr angeprangert habe, möchte ich das an dieser Stelle tun: Ich prangere meine juckende Kopfhaut an! Wenn ich nicht schon wahnsinnig vor Schmerzen wäre, wäre ich es spätestens aufgrund meiner juckenden Kopfhaut! 

Morgens, nicht mal 10 Uhr in Deutschland - Tina und ihr autogenes Training gehen wieder ins Bett und ziehen sich die Decke über den Kopf! Die letzten Tage können wirklich auch weg.

So long ihr Lieben
Tina - schnaufend