Freitag, 29. Dezember 2017

Here I am .... bam bam

Der Infekt hat mich fest im Griff und will nicht weichen, Husten, Schnupfen, Herpes - ach wie schön ist mir!

Aber immerhin ging die 2. Runde dann schon etwas leichter, Übelkeit nur 2 - 3 Tage wirklich kaum erträglich. Aber die Liste der Nebenwirkungen wird länger und wieder die Frage "macht das wirklich Sinn?".

- Sehstörungen
- absolut schmerzende Kopfhaut
- kribbelnde Finger und Füße
- Verstopfung
- wundes Zahnfleisch
- antriebslose Schlappheit

alles für sich kein Ding, aber in Summe doch lebensqualitätseinschränkend. Ich glaube aber ganz fest daran, dass die Akkupunktur ihren Teil beigetragen hat und die Nebenwirkungen für mich erträglicher macht. Daher hab ich mir gestern gleich noch ne Runde gegönnt und ihr auch gebeichtet, dass ich mit Verstopfungen zu kämpfen habe, was zur Folge hatte, dass diverse (viele viele) Nadeln ihren Weg in meine Bauch- und Darmregion gefunden haben. Vor der Chemo hat sie mir auch Nadel in den Bereich der Speiseröhre und über dem Schlüsselbein gesetzt. Ich konnte durchgehend gut trinken und schlucken, ohne dass mir beim Geruch von Wasser schon kotzübel wurde. Halleluja! Meine Mama durfte während der Sitzung bei mir bleiben - alleine in mir unbekannten Räumen liegen, Nadeln im Körper - ist und bleibt eine Herausforderung für mich - Panik sei Dank. 

Frau vegane Vegetarierin hatte leider beim letzten Blutbild einen viel zu hohen Blutzucker. Rücksprache mit der Ernährungsberatung - Frau G: "Was kann ich denn jetzt noch nicht nicht essen? Ich hatte gestern Abend zum Abendbrot eine Orange und einen Apfel?" Ernäherungsberatung: "Um Himmelswillen - nie nur Obst, da muss auch immer ein Volkornbrot oder Vollkornflocken zu gegessen werden." Aha. Ehrlich gesagt möchte ich meinen armen Körper jetzt nicht noch die Verdauung von Vollkornprodukten zumuten. Ich denke tatsächlich, dass Fasten das bessere Mittel der Wahl wäre. Meine Chinesin riet mir eindringlich dazu, nicht abzunehmen - muhahaha. No chance - aber wenn ich mal essen will, esse ich. Nur Fleisch, Wurst und der böse Zucker gehören nach wie vor nicht auf meinen Speiseplan, wobei ich mir am 1. Weihnachtsfeiertag ein kleines Stück Gans gegönnt habe :-)

Entgegen aller Ansagen und weil ich ein zäher alter Knochen bin, sind mir die Haare nicht ab Tag 14 nach Chemo 1 sondern ab Tag 10 nach Chemo 2 ausgegangen. Meine grauen Stoppeln konkurrieren nunmehr mit Jonas' Bartstoppeln in meinem Badezimmerwaschbecken. Obwohl die Haare ja schon ab waren, war das gestern für mich nochmal ein ganz schön emotionaler Moment und immer wieder die Frage "mache ich das Richtige?"

Für mich für später zur Erinnerung eine Liste der Dinge, die, wenn ich hier durch bin, vorläufig nicht mehr ihren Weg in meinen Mund finden:

- Ingwer
- Ingwer
- Ingwer

Nicht nur ich werde komisch, auch meine Freundinnen kommen wohl in ein gewisses Alter, in dem man seltsame Sachen tut. An einem Tag wurden mir zwei Stück davon kredenzt - ich sehe uns Sylvester schon Eierlikör aus diesen essbaren Bechern trinken und Blei gießen:-)



In diesem Sinne wünsche ich allen einen tollen Start ins Jahr 2018 und den kranken und kränkelnden Hühnern, dass es immer ein Stück vorwärts geht und Licht am Ende des Tunnels sichtbar wird! 

Tina

Sonntag, 24. Dezember 2017

2. Runde

Klar - Dienstag früh - Tag - 1 - ich werde wach - die Nase läuft, der Hals kratzt. Okay, leichte Panik, geht Chemo mit einem winzigen grippalen Infekt? 

Nachmittags zur Akkupunktur - frei nach dem Motto "viel hilft viel" lag ich fast eine Stunde mit den Nadeln in meinem Körper.

Mittwoch früh, mein Schwager und ich brechen auf. Nase läuft, Hals kratzt, aber muss ja niemand wissen. Der Raum füllt sich, bis zu 7 Frauen können gleichzeitig mit dem Tropf versorgt werden, Besucher müssen sich ein bisschen zurechtruckeln, ist schon arg eng. 

Schon während die Flüssigkeiten durch meinen Port laufen, spüre ich wieder leichte Kopfschmerzen. Am Ende dann Schwindel, aber Runde 2 ist geschafft. Zwei Frauen "kollabieren", wollen abbrechen, unangenehm, das auf so engem Raum mitzubekommen. Entmutigend. 

Ab nach Hause, auf die Couch, wegballern. Mein Freund, der Herpes gesellt sich dazu, der Schnupfen wird doller. Donnerstag ist es erträglich, trotzdem schlafe ich mich weg. Freitag Schnupfen, Herpes, dem Zahnfleisch geht es nicht gut, Übelkeit. Ich schaffe es tatsächlich, von Freitag, 21.30 h bis heute (Sonntag) früh, 7.00 h, zu schlafen, mit einigen Unterbrechungen, mal bin ich eine Stunde wach, mal auch drei, dann aber wieder wegdämmern. Und trinken trinken trinken. 

Oh du fröhliche - Schnupfen, Husten, Herpes, aber die Übelkeit ist nicht mehr so schlimm. Bringen wir den Tag hinter uns, zur Not schlafe ich einfach :-) Hab ja nen Freifahrtschein. 

Ihr Lieben, die ihr schreibt, anruft - ich musste das jetzt einfach mal so probieren, bin gerade an einem nächsten Tiefpunkt und denke "was nun noch" "letztes Jahr war mein Leben so normal" - Sachen, die einem halt durch den Kopf schießen. 

Ich wünsche euch allen besinnliche Weihnachten, viele schöne Stunden mit lieben Menschen und kann nur immer wieder sagen, wie dankbar ich bin, euch zu haben. In diesem Sinne :-)

Tina

Donnerstag, 14. Dezember 2017

Einfach ein Update - Tina mit ohne Haare

Nun sind sie ab - ich habe sie mir abrasieren lassen - es zeichnete sich ab, dass die Haare bald ausfallen würden, meine Kopfhaut tat mir furchtbar weh. Ich erlaube mir, hier einfach ein bis zwei Fotos zu posten, damit die Leute, die mich nicht so oft sehen, sich dann nicht so erschrecken, wenn sie mir über den Weg laufen. 



So ist es nun, für mich noch sehr ungewohnt! Und meinen Respekt an alle Wesen da draußen, die ohne Haare durchs Leben gehen. Man ist das kalt! Ich schlafe sogar mit Mütze. 

Im Vorfeld habe ich natürlich geweint, aber als es dann soweit war, war es okay. Selbstbestimmtes Verändern des äußeren Erscheinungsbildes! Zu meinen Bedingungen und nicht, wenn Herr Chemo sagt "hey als nächstes lassen wir mal die Haare ausfallen" :-)

Aktionismus ist besser als Abwarten, also bin ich nach dem Kahlschlag zu einer älteren chinesischen Heilpraktikerin. Nach einem sehr angenehmen Vorgespräch (trotz sprachlicher Barrieren :-) ) durfte ich mich auf die Liege legen, und sie spickte meinen Körper mit ca. 30 Nadeln. Ich musste dann 30 Minuten so liegen bleiben, in denen ich ganz arg mit dem Schlaf gekämpft habe. Sie versprach mir keine Wunder, aber Akupunktur kann dem Körper helfen, mit den Nebenwirkungen der Chemo besser fertig zu werden. Wenn ich dadurch nur ein paar Stunden ohne Übelkeit gewinne, ist es die Prozedur und das Geld allemal wert! By the way, wird langsam Zeit, dass ihr mal Crowdfunding für mich organisiert :-) Vielleicht fahre ich ja auch noch zum Dalai Lama, zum Papst nach Rom oder was man sonst noch für Verrückheiten anstellt, um nicht tatenlos zuzusehen :-)

Gestern durfte ich mir dann meine Blutwerte nach der Chemo abholen - alles im grünen Bereich, sogar meine Leukos sind nicht so tief gefallen, wie es normalerweise bei anderen Patienten der Fall ist. Klares Zeichen für mich, dass mein Körper eine gewisse Akzeptanz entwickelt hat und irgendwie gemeinsam mit mir und meiner Seele da durch will.

Jetzt bleibt angespanntes Warten auf den nächsten Mittwoch - Chemo Nr. 2. 

Tina

Sonntag, 10. Dezember 2017

Und weiter geht es

Donnerstag, 7.00 h. Ich schlage die Augen auf. Aha. Ich setze mich aufrecht hin. Hm... Ich stehe auf. Okay. Ich mache mir einen Tee, setze mich auf die Couch, Glotze an. Soso. Ich bewege den Kopf von rechts nach links, nach unten, nach oben. Okay.

Ich bleibe zunächst lieber mal noch ungläubig ne Stunde auf der Couch sitzen. Kann das sein? Es geht mir gut!!! Wunderbar!!! Ehrlich?

Abwarten. Immer noch alles gut. Ich krame mein Handy raus, Spotify an, mit der Wlan-Box verbinden, Top50 der Welt in unmoderater Lautstärke. Okay. Immer noch alles gut. Super gut. Dem Mutigen gehört die Welt, ich mache mir einen Kaffee. Wippe zur Musik, tanze durchs Wohnzimmer. Es geht mir wunderbar. Ich bin gehäutet, neu geboren, ganz die Alte mit neuen Wunden. Apropos - okay, meinen Arm kann ich bewegen, ohne dass etwas weh tut. Check. Aha. Port? Wir werden eins, ich fange an, ihn zu akzeptieren. 

Okay, Ärmel hochkrempeln, Mission Wohnung wird geputzt startet. Wäsche, Staubsaugen, Räumen, Kramen. Es geht mir immer noch gut. So viel Energie, da ist auch noch ein Mittagessen für die Jungs drin. Gesagt - getan - gekocht. 

Lieber nochmal auf die Couch, kann ja so auch nicht stimmen. Aber hey - ES GEHT MIR GUT! Ich nehme es an, fühle mich wunderbar, hab auch wieder Stimme, telefoniere, will meine Lieben an meinem Zustand teilhaben lassen. Hahaha (Ghettofaust) nicht nur Downs - auch Ups! Gloria Gaynor und ich sind uns einig "I will survive". Heute ist alles möglich. Latent übermütig, aber mit allem hätte ich gerechnet, nur nicht mit so einem tollen Tag. Ich möchte alle umarmen! Essensduft weht durch die Bude - und wer will, kann sogar vom Boden essen :-)

Der Freitag geht so weiter. Die Müdigkeit überfällt mich ab und an, aber soll sie doch.  Nichts im Vergleich zu der Übelkeit der letzten Tage. Shoppen mit Sister K - drei bis vier Stunden durch die Schloßstraße toben und immer noch Energie vorhanden. Oh Du Wunderbare... 

Samstag Einkaufen, dann mit Claudi treffen, Mützen und Tücher aussuchen, bei Villeroy und Boch staunen (und leider auch kaufen), Tee trinken. Abends essen kochen für die Jungs, Tom hat einen Übernachtungsgast - so wundervoll normal. Alltag! 

Das Einschlafen fällt mir schwer, aber auch da habe ich an einer Lösung getüftelt. Meine Maschine und ich gehen jetzt gemeinsam ins Bett, InEar-Kopfhörer in uns beide rein, autogenes Training an und gute Nacht Marie. 

Natürlich bleibt da die Angst vor der nächsten Chemo. Aber anders. Ich kann es überstehen und danach kommen gute Tage, wunderbare Tage. In dem ich einen einfachen fast beschwerdefreien wundervollen Tag verbringe und Dinge erledige, die mir wichtig sind, die für mich zu meinem Alltag gehören und die mir in den Tagen nach der Chemo einfach nicht möglich waren. 

Ich werde mir erlauben, mich nach der nächsten Chemo die Tage, die es dauert, aus dem aktiven Leben komplett rauszunehmen, ich werde sämtliche Videos, die YouTube über autogenes Training zu bieten hat, rauf und runter laufen lassen, schlafen, schlafen, mich wegbeamen. Das soll meine Strategie werden. Um dann wieder aufzustehen. Und mit euch gemeinsam zu leben.

Hab euch lieb!

Tina


Mittwoch, 6. Dezember 2017

Lebenszeichen

So da steht sie wieder, nicht ganz aufrecht, etwas wackelig auf den Beinen und mit hämmerndem Schädel, aber die Übelkeit ist kein Dauerbegleiter mehr. Wie ist das schön!

Heute "nur" Blutabnahme, erste Nahrungsaufnahme und ganz frivol gestatte ich mir den Gedanken an eine Tasse Kaffee. Jetzt scheint aber erstmal die Fatigue-Phase nach mir zu greifen und ich verkrümmel mich danach auf meine Couch zu einem zweiten Schlummer. Dann aber vielleicht vielleicht (kann sein, kann sein, lädt sie Dich zum Spielen ein.... ) eine Tasse Kaffee.

In der Tat schmeckt nichts mehr so wie es eigentlich schmeckt und ich freue mich, dass es die kleinen Dinge sind, die mich momentan nachdenken lassen und nicht das Große, das Ganze, das Übel.  

Essen ist eh überbewertet :-)

In diesem Sinne, gute Nacht.

Tina

Montag, 4. Dezember 2017

Phoenix und so

1:0 war leicht geprahlt. Ich habe jetzt 5 Tage mehr oder weniger auf der Couch verbracht und versucht, eine Strategie für mich zu entwickeln.

Ich werde jetzt einfach das nächste halbe Jahr vor mich hindämmern. Das einem so schlecht sein kann, dass man wirklich nicht mal mehr Wasser trinken will, sagt einem vorher ja auch keiner. Ich habe einfach auf der Couch gelegen und mich immer wieder weggedämmert, um das Elend nicht zu ertragen. 

Gestern war der Geburtstag der Zwillinge und gen Nachmittag ging es mir dann auch einigermaßen erträglich - zum ersten Mal seit 5 Tagen. Ich kann Essen nicht riechen, nicht sehen und auch mit dem Trinken ist das so eine Sache. Ich nehme zwar Medikamente gegen die Übelkeit, aber ich glaube, das sind nur Placebos... 

Ich koche mir artig mein Ingwerwasser (hier bitte leise Würggeräusche vorstellen), versuche jeden erdenklichen Kräutertee und freue mich über jeden Schluck Wasser, der meine Kehle runterrinnt. Hätte mir das einer vor zwei Monaten gesagt... Prost. Mein Allheilmittel ist getoastetes (schreibt man das so?) Vollkornbrot, morgens und abends eine Scheibe, schön langsam lutschen. Und das Schlucken nicht vergessen. 

Neben der Übelkeit habe ich eigentlich nur hier und da mal Schwindel zu vermelden und ab und an dröhnt der Schädel, aber ob der ganzen Gifte, die da durch meine Adern rinnen, kann ich mich nicht durchringen und eine Kopfschmerztablette nehmen. Ich denke dann immer an meinen armen Magen - muhahaha.

Der Port und ich sind immer noch keine Freunde, einfach ein Fremdkörper, der auch von außen sichtbar ist und mich doch immer wieder schaudern lässt. 

Und immer noch die Frage: Ich? Passiert mir das wirklich? Aber ja, scheint so, wir kommen der Antwort immer näher. 

Und dann die Rückmeldungen von lieben Menschen: Das war erst der Anfang, das wird noch schlimmer, aber Du gehst da durch... Ehrlich gesagt, will ich das gar nicht so genau wissen. Wenn ich eins gelernt habe die letzten Tage, dann das, dass jeder seine eigene Chemoerfahrung hat. Der eine ist einigermaßen fit, kann sogar arbeiten gehen, der andere dämmert vor sich hin, jedem das seine. Vielleicht geht es ja auch etwas bergauf und mir ist das nächste Mal nur 4 Tage kotzübel. Die Hoffnung stirbt zuletzt. 

Und wem noch nie 3 Tage ab Stück so übel war, dass er nicht mehr leben möchte, der werfe den ersten Stein. 

Also, Tina jetzt im Dämmermodus und die Überlegung, ob ich mir jetzt schon Krankengymnastik verschreiben lasse, da ich tatsächlich jetzt schon das Gefühl habe, dass meine nicht vorhandenen Muskeln verkümmern. 

Ich weiß, ein Blog lebt vom Inhalt und davon, dass man bloggt, aber das ging die letzten Tage wirklich nicht. 

Ihr Lieben, die ihr gestern Toms Fest so schön gemacht habt: Danke!!! Ich war fertig, als der Spuk vorbei war, musste aber noch bis Mitternacht auf meiner Couch liegen und mich an der Tatsache erfreuen, dass mir nicht übel war. Fassungslos :-) Ungläubig. Freudig erregt.

So, zwei Wochen bis zur nächsten Runde, jetzt heißt es, Kräfte sammeln und mich sortieren.

Tina