Samstag, 28. März 2020

Verschobener Fokus

Hi,

da poste ich mal wieder.

Ich hatte ja schon einige, die folgten, dann habe ich mich rar gemacht und jetzt schreibe ich einfach mal wieder.

Bin so ziemlich mit mir allein und habe gedacht, was der Krebs mit meiner Seele angestellt hat .... hahahaha das ist nicht zu toppen. Ist es.

Ich werde morgens wach, nachdem ich um 20.00 h schlafen gegangen bin - und weine. Keine Ahnung, ob ich noch eine Risikopatientin bin, aber ich habe Angst, wie noch nie in meinem Leben. Angst um die Menschen, die ich liebe, Angst um die Menschheit, Angst davor, wie irrational die Menschen noch reagieren. Ausnahmesituation. 

Klar, dachte ich, 2 - 4 Wochen mit dem Arsch zu Hause bleiben -schaffe ich. Nee. Schaffe ich nur unter schwersten Anstrengungen. Und gucke nur noch alle 2 Tage Nachrichten. Verfolge nicht, ob flatten the curve gelingt. Höre von Toten, von rasant ansteigenden Zahlen - hatte mich nach der Diagnose irgendwann abgefunden, die ganze Scheiße nicht zu überleben. Und nun klopft der Sensenmann wieder an die Tür. 

Ich dachte, ich bin stabil, ich habe nur noch 17 Stunden Psychotherapie, dann bin ich durch und dann kommt Herr Covid um die Ecke und stellt alles in den Schatten.

Ich habe den Krebs teilweise weggelacht, akzeptiert, bekämpft und jetzt? Stehen wir alle nackig vor dem Scheißkerl und wissen nicht, wen es erwischen wird. 

Wir struggeln für Klopapier und Nudeln - und ich struggel immer noch für die Menschlichkeit. Was passiert hier? Kein Klopapier, kacken, duschen und fertig. Hier - in meinem beschaulichen Friedenau, renn ich jeden Tag die drei Supermärkte an und koche inzwischen das, was noch da steht. Tom ist ganz irritiert und überrascht, aber er öffnet den Mund, kaut und schluckt :-) Mögt ihr euch vorstellen, wie sich die Pflegekräfte nach der Schicht fühlen, wenn sie einfach noch was einkaufen müssen, für sich, die Familie? Nada und nix. Ja, es wird immer wieder gesagt, die Lager sind voll, aber hier in Friedenau ticken die Uhren anscheinend anders. Heute hätte ich 20 Packungen Vanillepudding hamstern können und auch H-Milch gab es heute... Sacht mal Leute hackt's?

Wir hatten hier in unserem Haushalt echt ein Klopapierthema, weil ich nicht gehamstert habe und irgendwann musste ich den Filius losschicken, weil mich das mit dem Kacken und Duschen ja doch irgendwie verstört. Was soll ich sagen: Ostern kann kommen :-)


Seid ihr neidisch oder? Wäre bereit, die eine oder andere Rolle abzugeben :-)

Und dann steht Donnerstag meine wundervolle Freundin Claudia vor dem Balkon, hat 4 - 5 Pflänzchen ergattert und überreicht mir diese (aus 2 m Entfernung):


Danke.

Ich hätte nicht gedacht, dass mich das so runterzieht, das Kontaktverbot, das Alleinsein, die Angst - aber es passiert. Es sind so viele depressive Menschen gerade da draußen unterwegs, die wirklich krank sind. Die Obdachlosen. Freunde, die erneut gegen den Krebs und Metastasen anrennen... 

Besinnen wir uns, achten auf uns und unsere Mitmenschen - und verschont mich bitte im Sommer bei unseren Grillabenden mit Nudelsalat - konnte ich nie leiden :-)

Passt auf euch auf, bleibt Mensch und helft, wenn ihr könnt.

Liebe Grüße

Tina - voller Angst und Sorgen