Sonntag, 10. Dezember 2017

Und weiter geht es

Donnerstag, 7.00 h. Ich schlage die Augen auf. Aha. Ich setze mich aufrecht hin. Hm... Ich stehe auf. Okay. Ich mache mir einen Tee, setze mich auf die Couch, Glotze an. Soso. Ich bewege den Kopf von rechts nach links, nach unten, nach oben. Okay.

Ich bleibe zunächst lieber mal noch ungläubig ne Stunde auf der Couch sitzen. Kann das sein? Es geht mir gut!!! Wunderbar!!! Ehrlich?

Abwarten. Immer noch alles gut. Ich krame mein Handy raus, Spotify an, mit der Wlan-Box verbinden, Top50 der Welt in unmoderater Lautstärke. Okay. Immer noch alles gut. Super gut. Dem Mutigen gehört die Welt, ich mache mir einen Kaffee. Wippe zur Musik, tanze durchs Wohnzimmer. Es geht mir wunderbar. Ich bin gehäutet, neu geboren, ganz die Alte mit neuen Wunden. Apropos - okay, meinen Arm kann ich bewegen, ohne dass etwas weh tut. Check. Aha. Port? Wir werden eins, ich fange an, ihn zu akzeptieren. 

Okay, Ärmel hochkrempeln, Mission Wohnung wird geputzt startet. Wäsche, Staubsaugen, Räumen, Kramen. Es geht mir immer noch gut. So viel Energie, da ist auch noch ein Mittagessen für die Jungs drin. Gesagt - getan - gekocht. 

Lieber nochmal auf die Couch, kann ja so auch nicht stimmen. Aber hey - ES GEHT MIR GUT! Ich nehme es an, fühle mich wunderbar, hab auch wieder Stimme, telefoniere, will meine Lieben an meinem Zustand teilhaben lassen. Hahaha (Ghettofaust) nicht nur Downs - auch Ups! Gloria Gaynor und ich sind uns einig "I will survive". Heute ist alles möglich. Latent übermütig, aber mit allem hätte ich gerechnet, nur nicht mit so einem tollen Tag. Ich möchte alle umarmen! Essensduft weht durch die Bude - und wer will, kann sogar vom Boden essen :-)

Der Freitag geht so weiter. Die Müdigkeit überfällt mich ab und an, aber soll sie doch.  Nichts im Vergleich zu der Übelkeit der letzten Tage. Shoppen mit Sister K - drei bis vier Stunden durch die Schloßstraße toben und immer noch Energie vorhanden. Oh Du Wunderbare... 

Samstag Einkaufen, dann mit Claudi treffen, Mützen und Tücher aussuchen, bei Villeroy und Boch staunen (und leider auch kaufen), Tee trinken. Abends essen kochen für die Jungs, Tom hat einen Übernachtungsgast - so wundervoll normal. Alltag! 

Das Einschlafen fällt mir schwer, aber auch da habe ich an einer Lösung getüftelt. Meine Maschine und ich gehen jetzt gemeinsam ins Bett, InEar-Kopfhörer in uns beide rein, autogenes Training an und gute Nacht Marie. 

Natürlich bleibt da die Angst vor der nächsten Chemo. Aber anders. Ich kann es überstehen und danach kommen gute Tage, wunderbare Tage. In dem ich einen einfachen fast beschwerdefreien wundervollen Tag verbringe und Dinge erledige, die mir wichtig sind, die für mich zu meinem Alltag gehören und die mir in den Tagen nach der Chemo einfach nicht möglich waren. 

Ich werde mir erlauben, mich nach der nächsten Chemo die Tage, die es dauert, aus dem aktiven Leben komplett rauszunehmen, ich werde sämtliche Videos, die YouTube über autogenes Training zu bieten hat, rauf und runter laufen lassen, schlafen, schlafen, mich wegbeamen. Das soll meine Strategie werden. Um dann wieder aufzustehen. Und mit euch gemeinsam zu leben.

Hab euch lieb!

Tina


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