Samstag, 30. Juni 2018

hört auf mich... vertraut mir...

Ich habe lange überlegt, ob ich euch auf diese Reise mit dem neuen Tina-Ich mitnehme, aber hilft ja alles nichts, müssen wir jetzt durch.

Wut! Eine furchtbare Wut, die droht, mich komplett zu verändern, alles wegzunehmen, was mich ausmacht. 6 Wochen Tränen. Die Haut unter den Augen ist dünn. Unbändige Wut. Ich bin da durch, bin durch vieles durch - und nichts kommt zurück. Der Schmerz. Hurz. Und ich. Kaum eine gute Minute am Tag - nicht mehr alleine lebensfähig. 

Nicht nur, dass meine Füße und Hände tillen - hahaha jetzt renne ich mit einer roten Brust, wunder Brustwarze und Schmerzen im Oberkörper rum. Man, ist mir schön. Ich soll möglichst tagsüber oben ohne laufen - macht sich gut mit Pubertier. Und irgendwie - das will ja auch keiner sehen - nicht mal ich :-)

Blinder Aktionismus macht sich breit. Ich will nen Stück weit Lebensqualität zurück. Irgendwie. Basische Fußbäder, Kernseife, eincremen mit Hanföl, laufen auf Erbsen, kühlen mit Coolpads (Füße, Hände, Brust), basische Tees, Leber- und Gallentees - 24 Stunden-Tage reichen mir gar nicht mehr. Aufrechter Gang - nicht mehr möglich, alleine laufen? Hahaha... Schwindel und Gleichgewichtsstörungen sind meine täglichen Begleiter. Und Herr Angst und Panik auch wieder an meiner Seite. Setzen Sie sich, nehmen Sie nen Keks. UND HINTEN ANSTELLEN; KEINE ZEIT FÜR SONEN SCHEISS!

Gestern dann (voller Hoffnung meinerseits) einen Termin bei meiner Hausärztin, die mich schon so lange kennt. Sie ist auch Homöopathin - also Anamnese, 1,5 Stunden, bei meiner Kindheit angefangen. Es tat gut. Sie fühlt mit, hat schon viele Krebspatienten begleitet und sagt, meine Augen sind noch so voller Leben, das macht sie froh. Ich geh jetzt homöopathisch zusätzlich dagegen an (gegen die Schmerzen, die Wut, die Enttäuschung, das Gift). Ich war so euphorisiert, dass ich tatsächlich bei der biologischen Gesellschaft für Krebsabwehr angerufen habe, um einen erneuten Termin zu vereinbaren. Ich brauche psychologische Unterstützung und meine Familie in Teilen auch. Was soll ich sagen? Freitag 13.30 h geht da keiner mehr ran :-) Aber ich bleibe dran, ich kann das nicht mehr mit mir ausmachen. Ich werde verrückt, brauche ein Ventil, ein Abladeort bei unverbrauchten Menschen, die nicht direkt mit mir mitleiden und selber kaum noch wissen, wie wo was wer.

Ein Stück weit bin ich gestern aufgestanden, wie in alten Zeiten. Die letzten 6 Wochen gehörten dem Schmerz - der Wut. Der Enttäuschung. 

Noch 13 Bestrahlungen. Mache ich inzwischen fast wie ne Alte. Pah. Was soll's. Erhobenen Hauptes entblößt Richtung Liege, oft von Männer in Empfang genommen. Herje what is Scham, Baby don't hurt me.... Krabbel mit meinem schmerzenden und zuckenden Körper auf die Liege und sage meinen Beinen, sie sollen bitte wenigstens für die Dauer der Bestrahlungen das Zucken einstellen, sonst könnte ein Strählchen daneben gehen. 

Nach Mut oder Kraft traue ich mich kaum zu fragen, aber wenn ihr noch den einen oder anderen guten Gedanken für mich habt, her damit :-)

Tina


Samstag, 16. Juni 2018

Taumeln - aber nicht vor Glück

Hab ich euch eigentlich schon erzählt, dass meine tauben, kribbelnden, stechenden, pieksenden, reißenden Füße mich in den Wahnsinn treiben? Nein? Also, es war einmal eine Frau, die marschierte mehr oder weniger tapfer durch die Chemo, 26 Wochen, 4 große Chemos, 12 kleine Chemos. Voller Hoffnung in Erwartung der letzten Dröhnung und dann doch eine gewisse Traurigkeit und ein mulmiges Gefühl. Der 7. Sinn?

Ich bin enttäuscht. Das fasst es gut zusammen. Ich hab im Rahmen meiner Möglichkeiten alles gegeben und werde nun schon seit vier Wochen mit Schmerzen, Gleichgewichtsstörungen, Schwindel, staksenden roboterartigen Schritten und dem Gefangensein in meiner Wohnung belohnt. Wie ist mir das schön ... 👿 Meine Krankengymnastin sitzt zwei Häuser weiter im ersten Stock - für mich eigentlich nicht mehr zu schaffen. Aber jut, ich ziehe mir Schuhe an, wanke zwei Häuser weiter, ziehe mich am Geländer in den ersten Stock - irgendwie geht es immer weiter. 

Aber ich hätte jetzt gerne auch ein goodie. Von irgendwem. Für besondere tapfere Verdienste im Kampf gegen die Kacke. 2 Tage ohne Schmerzen? Deal? Jemand da zum Einschlagen?

Ich mach mir jetzt schon ne Liste - was ist besser, was hat sich verändert? Um  mich aufzubauen. Und da ich den Kopf nicht unter dem Arm trage, denkt jeder, hey der geht es doch gut. Wenn ich nach der Bestrahlung wieder in die Waagerechte komme, möchte ich vor Schwindel und Sternen kotzen. Und soll aber möglichst gleich hoch und die Liege frei machen, der nächste potenzielle und gewinnbringende Patient wartet schon. 

Man ej, wie soll man da nicht verbittern? Am Zipfel reissen, weitermachen. Krone richten, lächeln.

Und trotzdem sind noch so unglaublich viele Leute an meiner Seite - ohne sie würde ich verzweifeln. 2 Wochen Bestrahlung in Eigenregie mit Familie und Freunden gewuppt. Ich bin sooo dankbar. Und weine in der Tat um die, die da fast alleine durch müssen und nur auf Ärzte und Behörden angewiesen sind. 

Die bestrahlte Haut zeigt sich jetzt in einem veritablen Rotton, ich darf eine wasserhaltige Lotion aus dem Kühlschrank auftragen. Yeah. Tut bloß nichts für meine, wie ich finde, körpereigenen Ausdünstungen, die mir jetzt unangenehm in die Nase steigen. Habe mich gestern bei meiner Physiotherapeutin entschuldigt - mach ich ja nicht mit Absicht, nech?

Und nun die Gewissheit:


Grau! Ponylos. Spärlich. Fisselig. Ein Flaum. Ein grauen Flaum.

Mein Schokofleck unter dem Auge wächst auch und behindert schon meine Sicht, aber wir wollen ja nicht meckern.

Ich arbeite mit Hochdruck an funktionierenden Füßen und Händen, alles andere muss warten.

Akupunktur ist ein Alptraum, das tut mir soo weh, verschafft mir aber 1,5 Tage Linderungen und weniger Schwindel. Also Augen zu und durch. 

So muss los, meinen Lottoschein checken, vielleicht kann ich mir ja ab sofort einen Menschen leisten, der rund um die Uhr meine schmerzenden (harten) Waden und meine Füße massiert. Bitte Daumen drücken :-)

Tina

Sonntag, 10. Juni 2018

Hippokratischer Eid

Merkt ihr was? Der Titel ist ernst.

Ich habe lange überlegt, ob ich das hier poste, mein großes Kind war dabei und wird das ggf. lesen und sagen: "Na Mama, soooo schlimm war es nicht" sowie er auch sagte "lauf jetzt nicht heiß" und in der Tat habe ich eigentlich andere Baustellen :-)

Aber ich will euch natürlich teilhaben lassen an meiner grandiosen Reise durch unser Gesundheitssystem - auch wenn ich - wie ich nochmal betonen möchte - diese nicht freiwillig unternehme.

Freitag war Bestrahlung 5/33 und immer Freitag ist ein Gespräch bei Frau *ironiean* Dr. Gott hc. med. med. Dr. Dr. Radiologin.

Ich hab mich die Woche ganz wacker geschlagen, wollte nur an 2 Tage einfach nur von dieser Liege springen und diese Geräusche, Lichter und überhaupt nicht über mich ergehen lassen, hatte aber immer im Hinterkopf, dass ich meinen Nacken während der Bestrahlung überstrecken soll, damit mein Rückenmark nicht beschädigt wird. Oha. Na gut, bleib ich lieber still liegen, sicher ist sicher. Und ganz ehrlich: Springen und ich geht gerade nicht :-)

Freitag dann nach der Bestrahlung Termin bei der mich betreuenden Radiologin. "Haben Sie noch irgendwelche Fragen? Probleme dürften ja bis dato noch nicht aufgetreten sein und auch Ihre Haut ist ja sicher noch im Lot." (grrrrrrrrr kann man das erschnüffeln?) 34 Grad in Berlin, wasserfeste Folie auf meiner Haut, seit 2 Wochen ungeseift und ohne Deo - aber hey, gibt Leute, die sind schlimmer dran. 

Wie dem auch sei - alles im Lot. "Ach ja ich hab ja hier noch eine Notiz, Sie bräuchten ggf. eine Verordnung für einen Transport zwecks Kostenübernahme durch die Kasse." Frau G. aus B.:"Ja, aber ist kein Thema mehr, hab ich, kann ich bei Bedarf anleiern." Frau Dr. Gott: "Moment, jetzt rede ich (Frau G. wachsen kleine graue Zöpfe). Nun mal ganz ehrlich, Sie leben hier in einer Metropole, Sie haben doch sicherlich eine Möglichkeit, fußläufig den ÖPNV zu erreichen. Wissen Sie, was das für Kosten verursacht?" Sinngemäß dann noch "Sie tragen Ihren Kopf ja auch nicht unter dem Arm, also das muss doch wohl machbar sein, dass kann ich nicht befürworten!"

Die Frau hat mich in den 2 Vorgesprächen nicht einmal gefragt, ob irgendwas an Folgewirkungen von der Chemo vorhanden sind. Ich bin kaum in der Lage, alleine zu laufen (Schmerzen mal außen vor), krabbel wie ein Idiot auf die Behandlungsliege - aber hey - ja klar geht alles. 

Frau G.: "Ich habe arg mit einer Polyneuropathie zu tun, kann kaum noch laufen." Frau Gott: "Wer hat Ihnen denn diese Verordnung ausgestellt?"

Wie dem auch sein - mit offenem Mund da raus, Mit dem großen Kind erstmal gelacht und Dinge gedacht wie frigide unge*pieps*ickte Alte - was man halt so denkt mit guter Kinderstube, aber nicht sagt. Oder auch "oha, die Arme zahlt die Transporte aus eigener Tasche - schlimm schlimm so ein Radiologenleben"

Und dann bin ich heiß gelaufen. Sag ich jetzt schon was? Erhöht sie dann die Strahlendosis auf das 3fache? Kann ich irgendwem gegenüber äußern, dass ich eine andere betreuende Ärztin möchte? Schreib ich eine Email an ihren Chef, jetzt oder wenn ich durch bin? (was ich auf jeden Fall machen werde!)

8 Monate my personal Idaho, 8 Monate wenig Freud und viel Leid. 51 Jahre, mitten im Leben - doof angemacht, wo ich doch immer noch mit mir und meinem Schicksal hadere. Nicht mehr in der Lage, alleine einkaufen zu gehen (Gang zur Toilette geht noch), Schmerzen, Gleichgewichtsstörungen... Und als Sozialschmarotzerin abgestempelt, die gern mit dem Taxi zur Bestrahlung gefahren werden möchte. Wer mich kennt, weiß, wie absurd das ist.

Radiologen sollten per se verpflichtet sein, auch ein paar Semester Psychologie zu belegen, da werden Menschen in Betten/Stühlen runtergefahren, da kannst Du als Otto-Normal nur noch Mitleid haben. Wenn Du Mensch bist! 

Rede ich im nächsten Freitagtalk nochmal mit ihr? Tut sie mir dann was? Kann mir das schaden? 

Wow, Brustkrebserkrankung, relativ unverschuldet - und dann auf dem Index. 

Bin immer noch sprachlos und kann mich nicht entscheiden, wie ich agieren werde.

Aber ich hasse sie! Und suche sie bei allen Arztbewertungsportalen :-) Hab ja Zeit so als faule, vom Krankengeld lebende wasweißich :-)

Fassunglos - Tina






Mittwoch, 6. Juni 2018

Zum Lachen in den Keller

Zuerst einmal: Datenschutz und so! Akzeptieren und so! 267 Emails wollen noch von mir bearbeitet werden... 

Nun aber:

Jeden Morgen nach dem Aufwachen die Hoffnung, dass es etwas besser ist. Aber nein.

Mein Körper eskaliert. Meine Beine wollen mich auch partout nicht zur Bestrahlung tragen. Schmerzen und immer das Gefühl, meine Haut platzt gleich auf und meine Nägel fallen ab. Gleichgewichtsstörungen und Schwindel. Und ich habe wieder Puls...

Momentan bin ich völlig hoffnungslos, möchte vor jedem Bestrahlungstermin weinen. Großer gefliester Raum, Tisch in der Mitte, ich mit entblößtem Oberkörper kaum in der Lage, diesen Tisch zu erklimmen und dann dieses Gerät und ich. Geräusche, Motoren, Lichter - bis man richtig positioniert ist, vergehen zur Zeit noch 20 Minuten, die Bestrahlung selber ist eine Sache von Sekunden. Und der skeptische Blick in Richtung Haut, ob sie vielleicht schon verschmirgelt ist, sich rötet.... Aber das soll dauern, laut Meinung der Experten. Noch 31 x. 

Und die große Frage: Warum mache ich das alles? Lebensqualität würde ich momentan bei 0 sehen, ich komme alleine gar nicht mehr aus dem Haus. Und habe auf einmal ganz große Angst vor dem Alleinsein. Panik. Kann mit mir nichts mehr anfangen. Den Haushalt lasse ich gezwungenermaßen fast links liegen, kaum in der Lage, mich auf den Beinen zu halten.

Gestern habe ich mir ein Herz gefasst und meine Onkologin angerufen. Die gute Nachricht: Patienten, bei denen die Symptome erst so massiv nach Ende der Chemo auftreten, haben wohl gute Chancen, fast komplett wieder hergestellt zu werden. Die schlechte: Es dauert jetzt erstmal ein Jahr und man braucht Geduld. Eine meine hervorstechenden Charaktereigenschaften. Ihr entsinnt euch? Tina Geduld Grawert? Man reiche mir ein Holz zum Reinbeißen, weil Kopf auf Tisch geht nicht mehr, da Kopfschmerzen inzwischen mit zu meinem täglichen Brot gehören.

Ich bekomme jetzt ein neues Schmerzmittel, IBU tut da wohl nicht viel, und ich bekomme Akupunktur verschrieben. Frau Zhu - ich komme, wenn Du dann auch mit Krankenkassen abrechnest. 

Und ich bin ja auch nicht untätig: Schmiere und massiere Hände und Füße mit Hanföl ein, bade sie in einer Schüssel mit Erbsen, kühle 3 bis 4 x täglich, mache Natronfußbäder zum Entsäuern, trinke Leber- und Gallentee... Stress!

Also wenn jemand Zeit und Lust hat, mich mal zur Bestrahlung zu begleiten, meldet euch. Momentan sind die Termine 14.45 h/15.45 h - in dem Dreh, ändert sich aber von Woche zu Woche. 

Nach Grömitz geht es übrigens am 10.10. - also noch etwas Zeit, um mich hochzurappeln.

Dies sind die News aus Tinas Mutantenstadl. Her mit den guten Vibes - mein Akku ist leer.

Tina mit dem grauen Flaum (und immer noch kein Hauch von Pony 👀 - ich flippe aus)